Endgegner: Karamell

Vla.

Dieses kurze Wort reicht meist schon, um herrliche Gespräche zu entfachen: Was einen Pudding überhaupt zum Pudding macht, ob Selbstmischen verpflichtend ist oder Dubbel-Vla erlaubt, oder ob es ohne Hagelslag als Topping überhaupt geht. Ich lande dann immer bei meinen starken Gefühlen zum Hopjesvla – »de Koffiepuuding«, wie meine in die Niederlande eingeheiratete Tante sagt –, den ich als Kind im Hollandurlaub schon deshalb immer super fand, weil es ihn nur im kleineren Halbliter-Tetrapak gab. Das musste doch ein ganz besonderer Vla sein!

Irgendwann später, als man am Wochenende nicht mehr mal eben zu den zwei Brüdern von Venlo fuhr, kam ich auf den verrückten Gedanken, meinen eigenen Hopjesvla zu kochen. I can create my own Hopjesvla! Der erste Googletreffer führt auf die tolle Seite von Alexandra, auf der man noch so viel mehr über Hopjesvla lernt, als mein kindlicher Gaumen je ahnte. Der Schock: Es geht beim Hopjesvla gar nicht nur um Kaffee, sondern es geht erst einmal um Karamell! So ein Küchenendgegner von mir, seitdem wir in der Grundschule »leckere Sahnebonbons« selbst gemacht hatten, bei denen mir der Zucker natürlich hoffnungslos verbrannt war, und ich mich seitdem nie wieder an Karamell gewagt hatte.

Aber für eigenen Hopjesvla … fast dreißig Jahre später … das muss doch gehen!

Es steht dann im Rezept, dass man 100 ml kalten Kaffee nehmen soll, den man mit kalter Milch zusammen zum Karamellzucker geben soll. Noch einmal: Eine kalte Flüssigkeit zu frisch geschmolzenem, heißem Zucker geben. Und, beim ersten Nachkochen hält man sich natürlich immer ans Rezept und denkt nicht nach! Ich rate jedem, es genau so zu machen. Zu groß ist der Spaß, wenn aus der goldbraunen, dickflüssigen Zuckermasse unter lautem Zischen in Millisekunden eine knallharte Karamellplatte wird.

Für meinen ersten Hopjesvla musste der Zucker – beziehungsweise das Karamell – also zweimal aufgelöst werden, die letzten Stückchen habe ich herausgesiebt. Und, völlig überraschend: Das Rezept funktioniert auch, wenn man mit (nachträglich in der Mikrowelle erhitztem) heißem Kaffee arbeitet und vorab erwärmte Milch später zum Karamell-Kaffee-Gemisch hinzugibt.

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Canelés mit Kruste

Ich liebe Canelés, seit ich sie zum ersten Mal im Urlaub in Frankreich probiert habe. Natürlich musste ich dann zu Hause auch selber welche backen.

Canelés sind kleine Küchlein aus einem sehr flüssigen Teig, die sehr lange gebacken werden. Außerdem muss der Teig laut Rezept erst mal drei Tage im Kühlschrank rumlungern, bevor man die Formen überhaupt erst in mehreren Durchgängen in den Ofen schieben darf. Da backen sie dann eine Viertelstunde bei sehr heißen Temperaturen, dann wird der Ofen runtergeschaltet und es wird noch mal eine gute Dreiviertelstunde weiter gebacken.

Am Ende – so jedenfalls die Theorie – haben die Canelés eine schöne dunkle Kruste und sind innen noch hell und weich. In jedem Fall verbrennt man sich die Finger, wenn man die Törtchen aus der Silikonform drückt. Backen ist nix für Weicheier!

Bei mir werden sie eigentlich immer außen schön schwarz. Ich passe schon auf, decke vorzeitig mit Alufolie ab, hole früher aus dem Ofen und immerhin wird es auch langsam besser. Vielleicht werden sie irgendwann tatsächlich mehrheitlich mit brauner statt schwarzer Kruste aus dem Ofen kommen, der Kollege wird nicht mehr „ACRYLAMIDRÖLLCHEN!“ jubeln, wenn ich welche auf die Arbeit mitbringen und ich werde die anderen Kollegen nicht mehr mit „Sie sind etwas verbrannt, aber trotzdem sehr lecker!“ auf die prinzipielle Verzehrbarkeit hinweisen müssen.

Mit roter Grütze geht’s eigentlich

Einige meiner misslungenen Backversuche (zu trocken, sieht komisch aus, nicht richtig hochgegangen etc.) ließen sich übrigens ganz passabel mit roter Grütze* retten. Einfach großzügig ein paar Löffel obendrauf oder – wenn man es etwas weniger rustikal möchte – aufschneiden und dazwischen schmieren. Wenn man sich nicht verrät, sieht es dann oft so aus, als wenn das genau so soll. Und es schmeckt in der Regel richtig gut.

* Wegen akuter Notlage bevorzuge ich hier die schnöde fertige rote Grütze aus dem Supermarkt.

Ein Fluch liegt über der Familientorte

Es gibt nicht sehr viele, aber doch einige Dinge, die in unserer Familie traditionell gekocht, gebacken und gegessen werden. Die großartige Trümmertorte gehört dazu. Ein leckeres Ding mit Sahne, Baiser und Stachelbeeren. (Den Namen „Trümmertorte“ haben wir übrigens erst vor ein paar Jahren kennengelernt, bei uns hieß sie bis dahin immer nur „Stachelbeertorte mit Baiser“.)

Grob gesagt werden zwei Teigböden mit Baiser oben drauf gebacken und dazwischen kommen geschlagene Sahne und Stachelbeeren (in angedicktem Stachelbeersaft). Die Mischung aus den sauren Beeren und dem pappsüßen Baiser ist einfach toll. – Wichtig in unserer Familie: Das Baiser soll durchgebacken, fest und trocken sein, nicht weich und zäh.

In meiner Kindheit wurde die Torte von meiner Oma gebacken, später dann von meiner Mutter. Letztere machte das aber nur widerwillig, weil es etwas aufwendiger ist und ihr auch nicht immer gelang. Wegen dieser Widerwilligkeit und wegen des sehr hohen Alters unserer Oma haben meine Schwester und ich es schließlich auch schon ein paarmal probiert. Allerdings nur mit mäßigem oder auch keinem Erfolg.

Das Problem ist der Teig der beiden Böden. Irgendetwas im Universum muss sich innerhalb des letzten Jahrzehnts dramatisch verändert haben, denn das seit Anbeginn unserer Familie bewährte Rezept funktioniert nicht mehr. Der Teig geht nicht mehr auf, er bleibt klietschig oder verbrennt. Was außerdem knifflig ist: dass gleichzeitig ja auch noch das Baiser auf den Böden trocken und fest werden soll.

Ich hab deshalb schon ein bisschen rummanipuliert an dem Rezept: weniger Hitze beim Backen, dafür mehr Zeit, veränderte Zutatenmengen, Baiser und Böden voneinander getrennt backen, erst das eine, dann das andere hinterher, ganz anderer Teig … In Wirklichkeit hat nichts funktioniert.

Deshalb wird in unserer Familie inzwischen nur noch über die Stachelbeertorte gesprochen, niemand will sie aber mehr backen. Meine über neunzigjährige Oma sowieso nicht, meine Mutter weigert sich strikt und ich nehme es mir nur immer mal wieder vor. – Falls ich einen neuen Versuch unternehme, werde ich das aber auf jeden Fall dokumentieren.

Der ätherische Tafelspitz

Wir waren so gut vorbereitet, wirklich so gut.

Zum 75. Geburtstag meiner Schwiegermutter wollten wir ihr und der anwesenden Familie ein Fünf-Gänge-Menü schenken, selbst gekocht natürlich, schon wegen der Ehre, weil wir gerne kochen und gucken wollten, ob wir das wohl so hinkriegen zehn 10 Personen in einer fremden Küche.

Als vierten Gang sollte es Tafelspitz geben, und zwar, weil wir kürzlich erst unser Anova-Sous-Vide-Gerät bekommen hatten, sous-vide-gegart. Nun hatten wir noch nie Tafelspitz gemacht und auch erst ein paar Mal sous-vide-gegart, das schreckte uns aber nicht ab. Tafelspitz ist auch nur Fleisch und bisher war alles, was wir mit dem Anova zubereitet hatten, sehr gut und lecker geworden, es konnte also eigentlich gar nicht so viel schief gehen.

Ich hatte ein Rezept für Tafelspitz mit Szechuan-Pfeffer rausgesucht, extra noch eben solchen gekauft und jetzt rieben wir also den Tafelspitz rundherum mit gemörsertem Szechuan-Pfeffer ein, fügten noch ein paar Kräuter hinzu, vakuumierten alles und ab damit ins Wasserbad für die nächsten drei Stunden.

Dazu gab es Kartöffelchen und Gemüse, alles fein. Meine Schwägerin, die viele Jahre in Wien gelebt hatte, freute sich schon besonders auf das Fleisch. Die Spannung war also von allen Seiten groß, als wir das Fleisch aus dem Wasser holten, aus dem Beutel schnitten und in Scheiben mit den Beilagen servierten.

Ein erster Happen und die Gesichtszüge aller Probierenden sprachen Bände.

„Das… äh… schmeckt irgendwie… äh… interessant?“

Ja, es schmeckte interessant, und vor allem an erster Stelle völlig unerklärbar interessant. Es war ein bisschen so, als würde man in einen Saunaaufguss beißen. Die Konsistenz war prima, der Gargrad ebenso, aber geschmacklich war das alles nur seltsam, schmeckte nach ätherischen Ölen, sicher irgendwie gesund, aber lecker war doch irgendwie anders.

„Ihr müsst das nicht aufessen!“ rief ich mehrmals, während ich selber tapfer Bissen um Bissen kaute und schluckte, noch nicht mal aus Stolz oder um nichts umkommen zu lassen, sondern weil der Geschmack doch eigentümlich faszinierend war. Aber was war das nur? Die Kräuter? Hätten wir mehr würzen sollen? War irgendwas am Fleisch kaputt? Hatten wir alles falsch gemacht?

Am Ende wurde es mir klar: Der verdammte Szechuan-Pfeffer. Vermutlich war ich dann doch beim Einreiben sehr großzügig mit diesem Gewürz umgegangen, man backt schließlich auch ganze Fische in Salzkruste, warum sollte man dann nicht auch mit quasi vollen Händen den Tafelspitz mit Pfeffer ummanteln.

Es war aber wohl doch zu viel des Guten und zusammen mit dem langen Garprozess im Vakuumbeutel war der doch sehr eigene Geschmack des Pfeffers noch mal besonders gut ins gesamte Fleischstück eingezogen. Jetzt hatten wir einen ätherischen Tafelspitz, der zwar niemandem so wirklich schmeckte, aber zumindest nicht zäh war.

Wenn man also zum ersten Mal eine spezielle Zutat bearbeitet, sollte man vielleicht nicht noch zusätzlich eine ganz spezielle Garmethode und eine ganz spezielle Würzmischung daran ausprobieren.